Don‘t the sun look angry through the trees?

„Doesn‘t“… „Don‘t“ – ich weiß. Ist ein Zitat. Wenn‘s Dir nichts sagt, google.

 

Nachdem wir Schoemanshoek Valley verlassen haben, sind wir über den Quteniqua Pass über George nach Wilderness gefahren.
Wilderness… was soll ich sagen. Ich will nicht unfair sein, weil viele Leute den Ort als einen der schönsten Plätze auf der Erde beschrieben haben.
Eine tolle Bucht mit wunderschönen, grünen Hängen. Grandiose Brandung.
Oder ein 10.000 Seelendorf an einer vierspurigen Autobahn mit wirklich ausserordentlichen Fritten-Buden.
Ich fürchte, ich hab nichtmal ein Foto gemacht… hab ne Stunde im Stau gestanden von George nach Wilderness und in einem geschmackvollen, aber anonymen 5-Sterne Bunker übernachtet. Klimaanlage war super. Bier in der Minibar auch. Burger & Fritten lassen wirklich gar keine Wünsche offen. Wo bin ich hier? Florida? Nein? Welcher Kontinent? Egal. Noch ein Heineken, bitte!

Ein wenig geschockt von „Wilderness“ sind wir am nächsten Tag gleich 300 Kilometer die Gardenroute zurück nach Süden gefahren und in dem schönen Städtchen „Gansbai“ in der Nähe von „Hermanus“ für zwei Nächte im Benguela untergekommen.
In der Bucht von Hermanus bringen jedes Jahr Wale ihre Jungen zur Welt. Wir waren nur vier Woche zu spät dort, um das zu sehen.

Das Benguela gehört Jonathan und Handre und ist ein herrlicher Ort, um allen Stress hinter sich zu lassen. Die beiden haben das Haus or Jahren von einem Politiker gekauft, der seiner Zeit für eine unverbaubare Aussicht gesorgt hat. Vom Schlafzimmer direkter Blick auf den Ozean und Jonathan und Handre bringen Dir Frühstück an‘s Bett, wenn Du das möchtest. Das ganze Haus ist stilvoll eingerichtet, mit wunderbarer Kunst und geschmackvoll ausgesuchten Designer-Möbeln.
So toll das Benguela auch ist, so unaufdringlich, elegant sich Jonathan um seine Gäste kümmert, Gainsbai ist Sylt für Leute, denen Sylt langweilig geworden ist. Und genau nur für diese. Der beständige, ablandige 50 Km/h Wind scheint das nur zu unterstreichen.

Franschhoek

For my next trick I‘ll need a volunteer

Wieder 150 Kilometer in‘s Landesinnere zurück sind wir in Franschhoek untergekommen. Franschhoek ist super. Was wäre wenn man ein grob skizziertes Französisches Weingut in Afrika neu aufbauen müsste? Provence, Loire, Burgund, Bordeaux – erstmal egal. „Disneyland für Weinliebhaber“ hat Jonathan gesagt, und damit eine recht treffende Beschreibung abgegeben. Welcher Wein, spielt jetzt echt keine Rolle, oder? Irgendwie französisch halt. Wein und so. Champagner auch. „Bubbly“ sagt man hier. Französisch halt.
Bestes Filet Steak – ever. Echt. Ever! Tolle Scenery. Wolken, die sehr malerisch am den Bergen hängenbleiben. Instagrammable. Das Chateau von Richard Branson immer im Blick. Auf dem Weg dorthin werden wir von einer Kolonne (schneeweißer) BMW X6 M überholt. Ich hätte unseren Suzuki in jedem einzelnen Auspuffrohr parken können. „Lock the gates; Goofy, take my hand an lead me through a world of self.“ Echte Weinliebhaber auf dem Weg in ihr Disneyland.

Anfahrt über einen malerischen Pass durch die gleichen Hottentotten Berge, durch die damals die Hugenotten Siedler gekommen sind. Flüchtlinge, vertrieben aus Ihrer, sehr mittel-europäischen Heimat, wegen ihrer Religion (Protestanten – ein unvorstellbarer, tödlicher Frevel vor gar noch nicht so langer Zeit).

Don‘t the Sun look angry through the trees?

Abgesehen davon, dass die Sonne hier auch bei 20° problemlos Sonnenbrände dritten Grades auslösen kann – oder schlimmeres -, was löst hier noch das leichte Unwohlsein aus, dass uns nicht verlassen möchte?
1994 wurde Mandela Präsident. 1994 war ich halb durch mein Studium durch und hier war es absolut normal, daß Leute mit unterschiedlich heller Haut nicht die gleiche Toilette benutzen dürfen.
Leute mit etwas dunklerer Haut durften nicht nur nicht die gleiche Toilette benutzen, oder Busse, oder Restaurants, sie durften auch nicht auf vergleichbare Schulen. 1990er.
1994 wurde Apartheid offiziell abgeschafft.
Ersetzt wurde sie durch ein simples Surrogat des Kapitalismus. Es gilt nicht mehr „wer dunkel ist, ist nichts.“, sondern „wer nichts hat, ist nichts.“. Das klingt weniger verwerflich. Ist aber im Grunde genau das gleiche.
Der Kuchen war halt längst verteilt. Vor 200 Jahren schon.
Überall ist der Besitzer hell, der Angestellte dunkel.
Ohne Ausnahme.
Drei Wochen machen mich ganz gewiss nicht zum Experten, und wir kennen löbliche Ausnahmen – aber wir haben kein Geschäft gesehen, dessen Besitzer nicht helle Haut hätten. Keinen Bediensteten, der nicht die dunklere Haut gehabt hätte. Auch nur eine Ausnahme hätte mich versöhnlicher gestimmt. Eine einzige nur. Fehlanzeige.

In den letzten drei Wochen hab ich genau zweimal Gruppen von Menschen gesehen, die nicht vom gleichen Hautton waren, die ihre Freizeit gemeinsam verbringen.
Freunde, Kollegen von der Arbeit, Liebespärchen – ich hätte fragen sollen, was sie verbindet, denn solche Gruppen sind hier immer noch die Ausnahme und aussergewöhnlich.

Nein, die Sonne schaut noch nicht sanft und auch nicht wohlwollend. Die Sonne schaut wütend herab. Hier ist noch immer vieles un-erledigt.
Geh‘ nachts nicht alleine raus. Bleib vor dem „township“ nicht stehen. Schau am Geldautomaten immer über Deine Schulter. Starkstrom Elektrozäune um jedes Anwesen. Der Alarmknopf auf dem Nachttisch im 5-Sterne Hotel.

„Rappid armed response“ steht auf den Warnschildern an nahezu jedem einfachen Einfamilienhaus. Bleib draussen! Versuch’s gar nicht erst. Sonst kommen die Jungs mit den Gewehren. Sehr schnell.

Nichts ist beigelegt. District 6, „townships“ – das ist alles noch überall sichtbar, spürbar und gegenwärtig in den Augen aller hier – hell, oder dunkel. Mal als Angst, mal als Frust, mal als offene Aggression, mal als hilflose Unterwerfung für ein paar Rand.

Wie haben die jungen Deutschen gesagt, die wir vor ein paar Tage getroffen haben? „Wir haben uns irgendwie in Süd-Afrika verliebt.“… nein, das will uns so einfach dann doch nicht gelingen. Zu unbarmherzig und zu undurchlässig sind die Grenzen, zu tief die Gräben und zu hoch die Mauern noch immer im tiefsten Inneren dieses, von Natur aus, wunderschönen Landes.

Warum fühlt sich das in Asien so anders an? Weil die Kolonial-„Herren“ oftmals so deutlich – gewaltsam – in ihre Schranken verwiesen wurden? Ich weiß es nicht.

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